Hate Speech (Hassrede) ist ein hochaktuelles Thema – nicht nur im Internet, sondern auch im Schulunterricht. Schülerinnen und Schüler begegnen häufig Beleidigungen in WhatsApp-Gruppen, kritischen Kommentaren auf YouTube und hitzigen Diskussionen in Gaming-Foren. 

Oft reicht das bisherige Bewusstsein nicht aus, um die Tragweite sowie die rechtlichen und gesellschaftlichen Implikationen von Hassrede vollständig zu erfassen. 

Besonders Grundschullehrkräfte stehen vor der Herausforderung, dieses komplexe Thema altersgerecht aufzubereiten. Wie Sie als Lehrkräfte hier vorgehen können, wird in diesem Artikel beschrieben.

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Was ist Hate Speech / Hassrede? – Definition und rechtlicher Rahmen

Hassrede umfasst jegliche Ausdrucksweise, die Menschen oder Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale abwertet. Wichtig dabei: Beleidigungen, Verallgemeinerungen und falsche Tatsachenbehauptungen, die über den Rahmen der Meinungsfreiheit hinausgehen. 

Hassrede ist nicht gleich Hassrede. Während Cybermobbing, Shitstorms und eine verrohte Debattenkultur im Netz alle treffen können, richtet sich Hate Speech gezielt gegen Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen. Betroffene werden etwa wegen 

  • ihrer Hautfarbe,
  • Herkunft,
  • Religion,
  • ihres Geschlechts,
  • ihrer sexuellen Orientierung oder
  • ihres äußeren Erscheinungsbildes 

herabgewürdigt. 

Der Begriff ist eng verknüpft mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Doch auch Personen, die sich für die Rechte dieser Gruppen einsetzen, können zur Zielscheibe werden – online wie offline.

Oft werden solche Inhalte in Sozialen Medien, Foren oder Kommentarspalten verbreitet. Hassrede ist dann strafbar, wenn sie volksverhetzend wirkt oder die Menschenwürde verletzt – etwa durch Aufrufe zu Gewalt.


In Deutschland gibt es keinen spezifischen Straftatbestand für Hate Speech oder Hassrede. Stattdessen können verschiedene Straftatbestände im Zusammenhang mit Hate Speech zur Anwendung kommen. Beispielsweise kann Volksverhetzung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren geahndet werden, während Beleidigung eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich ziehen kann.

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Welche Unterstützung benötigen Sie am meisten, um Hate Speech/Hassrede im Klassenzimmer zu bewältigen?

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Gibt es Unterschiede in der Strafbarkeit zwischen verschiedenen Altersgruppen?

Ja, es gibt Unterschiede in der Strafbarkeit zwischen verschiedenen Altersgruppen in Deutschland:

  • Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig und können strafrechtlich nicht belangt werden (§ 19 StGB).
  • Ab 14 Jahren gelten Jugendliche als strafmündig, ihre Schuldfähigkeit muss aber positiv festgestellt werden (§ 3 JGG).
  • Ab 18 Jahren gelten die regulären strafrechtlichen Bestimmungen ohne altersspezifische Einschränkungen (§ 1 JGG in Verbindung mit dem StGB).

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Rolle der Sozialen Medien

Soziale Medien potenzieren Hassrede aus mehreren Gründen: 

Anonymität und Enthemmung

Viele Nutzerinnen und Nutzer agieren unter Pseudonymen oder Fake-Accounts, wodurch sie sich sicher fühlen, ohne direkte Konsequenzen befürchten zu müssen (siehe Troll). Das Fehlen von Blickkontakt und unmittelbarem Feedback führt dazu, dass sich Menschen online oft extremer äußern als im persönlichen Gespräch.

Rasante Verbreitung und große Reichweite

Ein einzelner Beitrag kann innerhalb von Sekunden Tausende oder sogar Millionen Menschen erreichen. Besonders kontroverse oder emotionale Inhalte werden häufig geteilt, was die Sichtbarkeit von Hassrede zusätzlich verstärkt.

Algorithmen verstärken problematische Inhalte

Soziale Plattformen sind darauf ausgelegt, viele Interaktionen zu erzielen. Polarisierende und provozierende Beiträge erhalten oft mehr Reaktionen und werden dadurch von den Algorithmen bevorzugt ausgespielt, was die Verbreitung von Hassrede weiter antreiben kann.

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Die gefährliche Wirkung von Hassrede

Hassrede ist mehr als nur verletzende Worte – sie kann das gesellschaftliche Klima nachhaltig vergiften. Wenn Hass und Diskriminierung immer häufiger öffentlich geäußert werden, besteht die Gefahr, dass sie als normal wahrgenommen werden. Das führt dazu, dass Menschen gleichgültiger gegenüber Vorurteilen und Ausgrenzung werden, wodurch sich diskriminierendes Verhalten weiter verstärkt.

Gewöhnung an Hass – eine schleichende Gefahr

Je öfter Hassrede im öffentlichen Raum auftaucht, desto mehr stumpft die Gesellschaft dagegen ab. Was einst als inakzeptabel galt, wird plötzlich toleriert oder sogar verteidigt. Dadurch wachsen Vorurteile, Diskriminierung wird salonfähig, und das soziale Miteinander leidet.

Silencing – Wenn Stimmen verstummen

Ein weiteres Phänomen ist das sogenannte “Silencing”. Betroffene von Hassrede fühlen sich eingeschüchtert, ziehen sich zurück und meiden öffentliche Diskussionen aus Angst vor Angriffen. Das hat weitreichende Folgen: Die Meinungsvielfalt schrumpft, und wichtige gesellschaftliche Debatten werden von einer lautstarken Minderheit dominiert, während andere Stimmen ungehört bleiben.

Radikalisierung – Wie Hass spaltet und gefährlich wird

Hassrede kann eine Spirale der Gewalt in Gang setzen. Sie schafft ein Klima, in dem extremistische Ideologien an Einfluss gewinnen und Menschen sich radikalisieren. Studien zeigen, dass eine Verrohung der Sprache oft ein Vorbote realer Gewalt ist. Je stärker sich Hassbotschaften verbreiten, desto größer ist die Gefahr, dass Konflikte eskalieren und die Gesellschaft in unversöhnliche Lager gespalten wird.

Psychische Folgen – Wenn Worte verletzen

Die Auswirkungen von Hassrede beschränken sich nicht nur auf die gesellschaftliche Ebene – sie treffen auch den Einzelnen hart. Menschen, die regelmäßig Hassrede ausgesetzt sind, leiden häufiger unter Angstzuständen, Stress und sozialer Isolation. Langfristig kann das schwerwiegende psychische Probleme wie Depressionen zur Folge haben.

Hassrede ist kein harmloses Phänomen – sie verändert die Gesellschaft, verstärkt Vorurteile, schüchtert Menschen ein und kann sogar Gewalt fördern. Umso wichtiger ist es, klare Grenzen zu setzen, Hass nicht unwidersprochen zu lassen und für eine offene, respektvolle Debattenkultur einzutreten.

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Didaktische Methoden

Grundschullehrkräfte können verschiedene interaktive und kreative Methoden nutzen, um das Thema Hassrede altersgerecht im Unterricht zu behandeln. 

Gemeinsames Erarbeiten einer "Netiquette"

Im digitalen Raum fehlt oft der direkte Blickkontakt, was das empathische Miteinander erschwert. Lassen Sie die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen erarbeiten, wie man online respektvoll kommuniziert. 

 Im Unterricht sollten daher folgende Fragen thematisiert werden:

  • Wie fühlt es sich an, beleidigt oder ausgegrenzt zu werden?
  • Welche Reaktionen löst respektvolle versus aggressive Kommunikation aus?
  • Wie lassen sich bestehende Klassenregeln auf digitale Kommunikationsplattformen übertragen?
  • Warum kann es im Internet leichter sein, jemand zu beleidigen, als wenn man ihm gegenübersteht?
  • Welche Möglichkeit hat man, mit einer Beleidigung umzugehen – im Klassenraum und im Chat?
  • Wie können Missverständnisse vermieden werden?
  • Was bedeutet Meinungsfreiheit und wo würden die Kinder diese Grenze ziehen?

Die Gruppen notieren ihre “Dos and Don’ts” auf Papier, und die Ergebnisse werden gemeinsam auf einem großen Plakat festgehalten, das im Klassenraum sichtbar aufgehängt wird. So lassen sich erste Regeln für ein "digitales Miteinander" bzw. eine "Netiquette" gemeinsam erarbeiten.

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Netiquette – nett sein im Internet!

Eigentlich lebt es sich am besten ohne Streit, ohne Beleidigungen, ohne Beschimpfungen, oder? Leider wird das im Internet von vielen nicht beachtet. Das Internet-ABC hat ein paar Regeln gesammelt, Thema: Nett sein im Internet! 

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Integration von Internet-ABC Lernmodulen

Setzen Sie interaktive Lernmodule von Internet-ABC ein, die speziell für Kinder entwickelt wurden. Diese Module bieten spielerische Übungen und Videos, die das Thema digitale Kommunikation und den Umgang mit Hassrede anschaulich erklären. Die Kinder lernen so eigenständig in einem sicheren Rahmen und reflektieren anschließend im Klassenkreis ihre Erfahrungen.

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Jumpy chattet am Smartphone
Jumpy chattet am Smartphone; Bild: Internet-ABC
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2.2. Chatten und Texten – WhatsApp und mehr

Das Lernmodul "Chatten und Texten – WhatsApp und mehr" erklärt Schülerinnen und Schülern in den Kapiteln 2 und 4, wie sie Stress beim Chatten vermeiden können: www.internet-abc.de/lm/6/2,4

3.4. Cybermobbing – kein Spaß!

Das Lernmodul "Cybermobbing – kein Spaß!" erklärt Schülerinnen und Schülern,

  • was unter Mobbing und Cybermobbing zu verstehen ist,
  • wie Mobbing im Internet passiert,
  • dass sie sich in die Rolle der Opfer einfühlen sollten,
  • wie sie gegen Mobbing vorgehen können,
  • welche Maßnahmen vor Cybermobbing schützen.
Percy, Flizzy, Jumpy und Eddie am Tisch
Percy, Flizzy, Jumpy und Eddie am Tisch; Bild: Internet-ABC
Praxishilfen

2.3. Soziale Medien – TikTok, Instagram und mehr

In dem Lernmodul "Soziale Medien – TikTok, Instagram und mehr" verdeutlicht

  • Kapitel 5 was von Kindern nicht im Internet geteilt werden sollte und
  • Kapitel 6 zeigt, welche Privatsphäre-Einstellungen vorgenommen werden sollten.

www.internet-abc.de/lm/8/5,6


Interaktive Lernspiele und Quiz

Nutzen Sie digitale Tools oder erstellen Sie ein klassisches Quiz, bei dem die Kinder Aussagen in “respektvoll” und “verletzend” einordnen müssen. Diese spielerische Übung schärft ihr Bewusstsein für die Wirkung von Sprache im Netz.

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Quiz: Netiquette

Kinder lernen in diesem Quiz, worauf man beim Chatten und Posten im Internet achten sollte. Wie sind die Umgangsregeln im Internet? Welche Inhalte verstoßen gegen die Netiquette? Im Netiquette-Quiz des Internet-ABC können Kinder ihr Wissen testen.

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Kreative Projektarbeit: Comic oder Geschichte gestalten

Die Schülerinnen und Schüler gestalten in Gruppen einen Comic oder schreiben eine kurze Geschichte, in der ein fiktives Szenario aus dem digitalen Alltag dargestellt wird. Dabei sollen sie überlegen, wie von Hate Speech Betroffene Unterstützung erhalten und wie positive Gegenrede aussehen kann. Anschließend präsentieren die Gruppen ihre Ergebnisse und erläutern ihre Lösungsansätze.

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Elternarbeit einbinden

Organisieren Sie einen Elternabend zum Thema “Digitaler Umgang und Hate Speech”. Gemeinsam mit den Eltern erarbeiten Sie, welche Regeln im Familienalltag gelten sollten, und diskutieren, wie Eltern ihre Kinder beim sicheren Umgang mit digitalen Medien unterstützen können.

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Hate Speech – Beleidigungen, Angriffe, Herabsetzungen im Internet

Kraftausdrücke, Beleidigungen und sprachliche Erniedrigungen – manche Kinder benutzen eine Sprache, die nicht zu ihrem Alter passt. Dafür kann es verschiedene Ursachen geben: Zum Beispiel eine extrem raue Sprache, die teilweise im Internet benutzt wird ...

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Intervention: Was tun, wenn Hassrede auftritt?

  1. Aufklären: Suchen Sie das Gespräch mit den betroffenen Kindern und klären Sie, warum die Aussagen problematisch sind. Sie können Ihren Schülerinnen und Schülern zeigen, wie diese deeskalierend und respektvoll auf Hassrede reagieren können.
  2. Beweise sichern: Erklären Sie, dass es wichtig ist, Beweise zum Beispiel über rechtssichere Screenshots zu sichern. Hier finden Sie eine Anleitung zum rechtssicheren Screenshot: 
    https://www.polizei-beratung.de/aktuelles/detailansicht/digitale-beweissicherung-rechtssichere-screenshots-erstellen/
  3. Melden und löschen: Ermutigen Sie die Schülerinnen und Schüler, beleidigende Inhalte auf digitalen Plattformen zu melden. Dies geht über die Meldefunktion auf den Sozialen Plattformen selbst und über Meldestellen wie
    https://www.medienanstalt-nrw.de/zum-nachlesen/recht-und-aufsicht/beschwerde.html
  4. Strafanzeige erstatten: Bei gravierenden Fällen können Betroffene Strafanzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft erstatten. Dies ist auch online über die Onlinewache des jeweiligen Bundeslandes möglich: 
    https://portal.onlinewache.polizei.de/de/
  5. Beratung und Unterstützung suchen: Betroffene können sich rechtlich beraten lassen. Bei geringem Einkommen gibt es eine sogenannte “Beratungshilfe”. Diese kann hier beantragt werden: 
    https://www.bmj.de/DE/service/formulare/form_beratungshilfe/form_beratungshilfe_node.html

Durch klare Handlungsempfehlungen im Notfall und die Einbindung von Eltern und externen Ressourcen können Sie Kinder vor Hassrede schützen.

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Bei Tränen, Angst und Zorn – Hilfe aus dem Internet

Im Internet darf man nicht jedem vertrauen. Das gilt besonders dann, wenn man Hilfe sucht. Es gibt aber einige Seiten, die sind sicher. Dort finden Kinder mit Problemen Menschen, die ihnen einen Rat geben.

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Welche rechtliche Verantwortung haben Plattformen in Fällen von gemeldeter Hassrede/Hate Speech?

Die Regulierung von Hassrede auf sozialen Plattformen basiert seit dem 17. Februar 2024 auf europäischen Vorgaben, insbesondere dem Digital Services Act (DSA). Es modernisiert die Regeln für digitale Plattformen in Deutschland. Für Menschen, die von Hassrede betroffen sind, gibt es einige Änderungen:

  • Plattformen müssen Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, rechtswidrige Inhalte – darunter Hassrede wie Volksverhetzung – zu melden (Art. 16 DSA).
  • Erhält eine Plattform Kenntnis von einer ernsthaften Bedrohung für Leben oder Sicherheit, muss sie dies den Strafverfolgungsbehörden melden (Art. 18 DSA).
  • Plattformen, die auch für Kinder und Jugendliche zugänglich sind, müssen angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen (Art. 28 DSA).

Die Medienanstalten in Deutschland können Plattformen verpflichten, rechtswidrige Inhalte zu entfernen (Art. 9 DSA). So kann beispielsweise bei Verstößen gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), etwa bei volksverhetzenden Inhalten, eine Löschung angeordnet werden.

Wichtig: Anders als im vorher geltenden Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gibt es keine gesetzliche Löschfrist mehr. Plattformen müssen aber transparent darlegen, wie sie mit Meldungen umgehen.

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Zahlen und Fakten

Bereits viele Kinder und Jugendliche erleben Hassrede.

Laut der JIM-Studie 2024 sind 40% der Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren innerhalb eines Monats mit Hate Speech im Netz konfrontiert worden. 

Die JIMplus Studie 2022 zeigt, dass trotz des hohen Bedürfnisses, einzugreifen “nur” etwa 53% der befragten Jugendlichen Hassrede häufiger oder gelegentlich melden. Am häufigsten wird diese ignoriert (71%) oder mit Freundinnen oder Freunden darüber gesprochen (78%), um Hate Speech zu verarbeiten.

Der Studie zufolge werden Jugendliche vor allem wütend, wenn sie mit Hass konfrontiert werden (69 %). Danach kommen Trauer (62 %) und der Wunsch, einzugreifen (58 %) und sich dagegen einzusetzen (48 %).

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