Kinderrechte auch im Netz – ein Interview mit der Stiftung Digitale Chancen
Warum sind Kinderrechte so wichtig? Wir haben uns darüber mit Jutta Croll unterhalten. Frau Croll ist nämlich gewählte Vorsitzende der Stiftung Digitale Chancen. Sie setzt sich mit ihrer Arbeit für Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt ein. Und deswegen kennt sich Frau Croll mit Kinderrechten sehr gut aus. Seid ihr bereit? Los geht's!
Internet-ABC: Warum gibt es eigentlich Kinderrechte?
Jutta Croll: Menschenrechte gelten für alle Menschen, egal wie alt man ist. Die Vereinten Nationen haben aber schon vor über 30 Jahren erkannt, dass es für Kinder schwer ist, ihre Rechte durchzusetzen. Deshalb wurde die Kinderrechtskonvention erarbeitet.
Internet-ABC: Warum sollten Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden?
Jutta Croll: Wenn die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden, müssen die Interessen von Kindern bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das Grundgesetz enthält die wichtigsten Regeln für den Staat und das Zusammenleben der Menschen in Deutschland. Deshalb sollten darin auch die Kinderrechte verankert sein. Damit man das Grundgesetz ändern kann, müssen zwei Drittel der Bundestagsabgeordneten zustimmen. Im Frühjahr 2021 ist so eine Mehrheit leider nicht zustande gekommen.
Internet-ABC: In welchen Ländern gelten die Kinderrechte?
Jutta Croll: Alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen – außer den USA – haben sich verpflichtet, darauf zu achten, dass in ihrem Land die Rechte von Kindern verwirklicht werden. Sie legen alle zwei Jahre sogenannte Staatenberichte vor. In den Berichten erklären sie gegenüber dem Kinderrechte-Ausschuss der Vereinten Nationen, was sie für die Rechte von Kindern getan haben. Anschließend lädt der Ausschuss auch Kinder und Jugendliche ein, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie sie selbst die Verwirklichung ihrer Rechte in ihrem Land erleben.
Internet-ABC: Warum gibt es auch Kinderrechte im Internet?
Jutta Croll: Das Internet ist für Kinder heute eine Selbstverständlichkeit. Die meisten können sich einen Tag ohne Internet gar nicht vorstellen. Sie treffen dort Freundinnen und Freunde, finden interessante, wichtige und witzige Sachen. Kinder spielen, lernen und unterhalten sich auch im Netz. Da das Internet so ein wichtiger Teil des Alltags ist, müssen die Kinderrechte auch dort gelten. Ganz wichtig sind der Zugang von Kindern zum Internet und der Schutz von Kindern im Internet. Beides ist ebenfalls im Artikel 17 der Kinderrechtskonvention geregelt.
Internet-ABC: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Kinderrechte im Netz?
Jutta Croll: Ich denke, dass alle Kinderrechte gleich wichtig sind. Für manche Rechte ist das Internet aber genau der richtige Ort: zum Beispiel wenn es um das Recht auf freie Meinungsäußerung geht. Auch das Recht auf Zugang zu Informationen können Kinder im Internet gut verwirklichen (Artikel 13). Während der Corona-Pandemie ist das Internet zum Lernort geworden. Kinder konnten ihr Recht auf Bildung (Artikel 28) online in Anspruch nehmen. Und das Internet ist auch ein Ort, an dem Kinder ihr Recht auf Freizeit und Spiel ausüben können (Artikel 31), wo sie ihr Recht, sich mit anderen zu treffen – man nennt das Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit (Artikel 15) – ausüben. Wenn Kontaktbeschränkungen gelten, kann man seine Freundinnen und Freunde zumindest über das Internet treffen. Die Kinderrechtskonvention sagt, dass die Meinung von Kindern berücksichtigt werden muss – und zwar bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen (Artikel 12). Jedes Kind hat das Recht, angehört zu werden, egal wo es lebt – auch über das Internet.
Internet-ABC: Wie wird sichergestellt, dass Kinder ihre Rechte ausleben können?
Jutta Croll: Verantwortlich ist dafür zuerst die Regierung. Sie muss dafür sorgen, dass sich die verantwortlichen Erwachsenen an die Regeln der Kinderrechtskonvention halten. In Deutschland hat die Bundesregierung in diesem Jahr ein neues Jugendschutzgesetz verabschiedet. Das Gesetz verpflichtet die Anbieter von Webseiten, Spielen und Apps dazu, Kinder bei der Nutzung zu schützen. In der Familie tragen meistens die Eltern die Verantwortung für Kinder. Auch Eltern müssen im privaten Bereich die Rechte der Kinder achten. Sie dürfen zum Beispiel nicht die Privatsphäre des Kindes verletzen (Artikel 16), also seine Post öffnen oder seine E-Mails kontrollieren. Damit es nicht zum Streit kommt, sollten Kinder und Eltern die Regeln der Kinderrechtskonvention kennen und sich gemeinsam darauf verständigen, wie man diese am besten einhält.