Kindern Datenschutz vermitteln?
Ein Interview mit Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz. Der Experte leitet die von der Bundesrepublik Deutschland gegründete Stiftung, deren Aufgabe die Förderung des Privatsphärenschutzes ist.
Internet-ABC: Warum ist Datenschutz schon für Kinder ein Thema?
Frederick Richter: Ganz einfach: Weil Datenschutz für uns alle ein Thema ist. Und weil Kinder, anders als früher, in einer digitalen Welt aufwachsen, in der es sehr einfach ist, persönliche Informationen zu finden, zu speichern, zu verbreiten und auch zu manipulieren. Kinder können zudem oft noch nicht absehen, wie ihre Daten potentiell missbräuchlich verwendet werden können. Daher ist es wichtig, dass sie – altersgemäß, ohne Verbote und in einer vertrauensvollen Atmosphäre – an den sensiblen Umgang mit personenbezogenen Daten herangeführt werden.
Wenn wir hier von "personenbezogenen Daten" sprechen, meinen wir übrigens nicht nur diejenigen Daten, die im engen gesetzlichen Sinne Rückschlüsse auf die Person zulassen, sondern auch Informationen über persönliche Interessen, Hobbys und Vorlieben, über die familiären Gepflogenheiten, Freundschaften und Abneigungen; also all das, was auch Erwachsene unter "Privatsphäre" verstehen. Das Verständnis für Privatheit entwickelt sich erst allmählich über einen längeren Zeitraum, und auch im Erwachsenenalter kann es sich noch verändern. Wichtig ist aus unserer Sicht auch – und das betrifft nicht nur Kinder –, die Einsicht dafür zu entwickeln, wie sehr das eigene Verhalten auch die Privatsphäre anderer Menschen betreffen kann: Es ist gut, wenn ich bestimmte, datensammelnde Messenger-Dienste vermeide. Wenn aber meine Freundinnen und Freunde diese benutzen, und ihr gesamtes Adressbuch hochladen, geraten eben auch meine Kontaktdaten in die Datensammlungen.
Und schließlich möchte ich noch an Eltern und Lehrkräfte appellieren: Unterstützen Sie Kinder dabei, bewusste Entscheidungen zu treffen, und seien Sie Vorbild. In den letzten Jahren ist es üblich geworden, dass Lehrerinnen und Lehrer per Facebook- oder WhatsApp-Gruppe mit ihren Klassen kommunizieren. Sie erhöhen damit den ohnehin nicht geringen Druck auf die Kinder, ebenfalls dort zu sein, und normalisieren diese sozialen Medien als etwas Selbstverständliches, Alternativloses. Bitte lassen Sie Kindern die Wahl, indem Sie Alternativen anbieten und dafür sorgen, dass Kinder ohne Smartphones und WhatsApp sich nicht ausgeschlossen fühlen und keine tatsächlichen Nachteile erleiden.
Was sind die größten Risiken, wenn junge Onliner sorglos ihre persönlichen Daten ins Netz stellen?
Frederick Richter: Das größte Risiko ist natürlich, dass diese Daten missbräuchlich verwendet werden. Dabei sehe ich im Wesentlichen drei große Kategorien: Die erste ist die Gefahr, dass Kinder Opfer von kriminellem Verhalten werden. Die finanziell-wirtschaftliche Kategorie umfasst Abo-Fallen, In-App-Käufe und Ähnliches, mit denen die kindliche Arglosigkeit ausnutzt wird. Und schließlich können Informationen aus der Privatsphäre auch in sozialen Beziehungen zum Nachteil des Kindes ausgenutzt werden – da reicht manchmal schon ein vermeintlich oder tatsächlich unvorteilhaftes Foto, und das Kind wird durch Gleichaltrige verspottet.
Wie können Kinder am besten für das Thema sensibilisiert werden?
Frederick Richter: Indem Eltern selbst Vorbild sind, und den verantwortungsvollen Umgang mit persönlichen Daten den Kindern vorleben und erklären. Ein vertrauensvolles Verhältnis ist wichtig, in dem das Kind keine Scheu hat, sich zu offenbaren – egal, ob es etwas vermeintlich falsch gemacht hat, oder ob ihm etwas komisch vorkommt. Und natürlich ein altersgemäßes Vorgehen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche, sehr hochwertige, nicht kommerzielle Angebote im Internet, die sich direkt an Kinder wenden oder Eltern und Lehrkräfte unterstützen.
Worauf sollen Eltern beim Spielen achten?
Frederick Richter: In Apps und Online-Spielen, manchmal sogar in Lernangeboten verbirgt sich oft unzulässige Datensammelei. Mitunter sind die Angebote so gestaltet, dass für angeblich kostenlose Spiele ein kostenpflichtiges Abo abgeschlossen werden muss. Oder ohne Angaben persönlicher Daten kann das Kind nicht am Gewinnspiel teilnehmen. Grundsätzlich wäre es gut, wenn Eltern jedes Spiel, jede App zunächst gründlich prüfen. In der Praxis jedoch ist das unrealistisch, weil mit sehr viel Aufwand verbunden. Aber gibt es auch zahlreiche kindgerechte, hochwertige und vertrauenswürdige Angebote im Netz, die nicht von kommerziellen Interessen getragen werden, so bei den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten oder dem Internet-ABC, das zahlreiche Spieletipps für Kinder bietet.
Wie sollten Eltern mit den Daten ihrer Kinder umgehen?
Frederick Richter: Ich persönlich empfehle äußerste Zurückhaltung im Umgang mit personenbezogenen Daten im Allgemeinen und besonders im Internet, speziell in sozialen Netzwerken und verzichte selbst ganz darauf, dort Fotos meiner Kinder zu verbreiten, auf denen sie erkennbar sind. Mir ist aber natürlich klar, dass das viele Menschen für übertrieben halten, und dass zum Beispiel Facebook für viele Familien eine einfache Möglichkeit ist, mit den Großeltern oder anderen Verwandten und Freunden Kontakt zu halten. Hier gilt es, das richtige Maß zu finden. Und Eltern sollten auch bedenken: Fotos von Kleinkindern, die jetzt niedlich sind, könnten den Kindern in ein paar Jahren peinlich sein.
Was können Eltern tun, wenn sie merken, dass die persönlichen Daten ihrer Kinder im Netz verbreitet worden sind?
Frederick Richter: Das lässt sich pauschal schwer beantworten. Auf jeden Fall können die Eltern verlangen, dass die Daten gelöscht werden, wenn der Anbieter seinen Sitz in Deutschland hat. Denn dann unterliegt er den deutschen Datenschutzvorschriften. Die Eltern sollten also den Anbieter kontaktieren, am besten den Datenschutzbeauftragten; die Adresse muss in der Datenschutzerklärung aufgeführt sein. Wenn es sich um einen Anbieter im Ausland handelt, wird es schwierig; Inhalte in den sozialen Medien sperren oder löschen lassen zu wollen ist oft praktisch aussichtslos. Außerdem helfen öffentliche Beratungsstellen, wie die Datenschutzaufsichtsbehörden oder die Verbraucherzentralen, die über entsprechende Erfahrung verfügen. Und schließlich kann es – in extremen Fällen – sinnvoll sein, spezialisierte gewerbliche Anbieter oder Rechtsanwälte damit zu beauftragen, unerwünschte Einträge zu entfernen.